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Als Arzt in die Schweiz auswandern - Interview mit Martin Werner

Martin Werner - DocsGoSwiss
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Lesedauer: 6 Minuten

04.10.2024

Martin Werner ist Gründer von DocsGoSwiss und Host des beliebten Podcasts DocsGoSwiss. Er lebt seit 2016 in der Schweiz und hat sich darauf spezialisiert, Ärztinnen und Ärzte beim Thema Auswandern in die Schweiz zu beraten. Mit seiner umfangreichen Erfahrung und Kenntnis der schweizerischen Kultur und des Gesundheitssystems unterstützt er Ärztinnen und Ärzte dabei, sich beruflich und privat erfolgreich in der Schweiz zu etablieren.  Wir haben ihm einige Fragen zum Thema Auswandern in die Schweiz gestellt.


Finanzskalpell: Herr Werner, wie sind Sie dazu gekommen, Mediziner beim Auswandern in die Schweiz zu beraten?

Martin Werner: Ich bin ursprünglich gelernter Bankkaufmann und 2016 in die Schweiz ausgewandert – später kam meine Familie nach. Meine Frau ist Medizinerin. Durch meine Lebensgefährtin kenne ich die Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen in Deutschland und der Schweiz. Unsere Kinder sind in der Schweiz geboren und irgendwann habe ich festgestellt, dass viele Mediziner in Deutschland und anderen europäischen Ländern unzufrieden sind und den Wunsch haben, in der Schweiz zu arbeiten. Die Schweiz sucht im Gesundheitswesen nach Fachkräften, weshalb ich mich vor drei Jahren selbstständig gemacht habe, um Menschen im Gesundheitswesen zu begleiten und ihnen zu helfen, ihre Freude am Beruf und am Patienten wiederzufinden.

Finanzskalpell: Was sind die häufigsten Gründe, warum Ärztinnen und Ärzte in die Schweiz auswandern möchten?

Martin Werner: Die Gründe sind vielfältig. Die Schweiz ist eines der Nachbarländer, in dem man ohne Sprachbarriere arbeiten kann, da Deutsch gesprochen wird. Europäische Abschlüsse werden im Rahmen des Schweiz-EU-Abkommens anerkannt. Die Schweiz genießt einen sehr positiven Ruf, insbesondere wegen hoher Gehälter und guter Lebensbedingungen. Im Gesundheitswesen gibt es hohe Qualitätsstandards und mehr Zeit für Patienten, was viele Menschen aus dem Gesundheitswesen in anderen Ländern vermissen.

Finanzskalpell: Wie funktioniert die Anerkennung von ausländischen medizinischen Abschlüssen in der Schweiz?

Martin Werner: Die Anerkennung für Gesundheitsberufe wie Krankenschwestern und Rettungssanitäter erfolgt über das Schweizer Rote Kreuz. Für Medizinberufe, also das Studium und den Facharzt, ist die sogenannte MEBEKO zuständig. Die Anerkennungsverfahren unterscheiden sich je nach Staatsbürgerschaft und Studienabschlussland. 

Finanzskalpell: Welche zusätzlichen Qualifikationen oder Prüfungen sind erforderlich, um in der Schweiz als Arzt arbeiten zu können?

Martin Werner: Zusätzliche Qualifikationen oder Prüfungen sind in der Regel nicht erforderlich. Sprachnachweise werden formal durch das Schweizer Rote Kreuz oder die MEBEKO-Kommission geprüft und praktisch durch Vorstellungen und Hospitationen beim Arbeitgeber kontrolliert. Es gibt keine Anerkennungsprüfung oder Sprachenprüfung wie in Deutschland.

Finanzskalpell: Welche besonderen Herausforderungen sehen Sie für Mediziner bei der Entscheidung, in die Schweiz auszuwandern. 

Martin Werner: Eine der größten Herausforderungen ist die kulturelle Integration. Oft wird angenommen, dass es in der Schweiz genauso ist wie in Deutschland, weil in beiden Ländern Deutsch gesprochen wird. Es ist jedoch wichtig, sich auf die Kultur, die Menschen und die Sprache der Schweiz vorzubereiten. Die kulturelle Integration ernst zu nehmen, ist entscheidend, um sich gut einzuleben.

Finanzskalpell: Welche praktischen Schritte sollten Ärztinnen und Ärzte im Vorfeld ihres Umzugs in die Schweiz unternehmen?

Martin Werner: Es ist entscheidend, den Umzug gut vorzubereiten, insbesondere wenn mehrere Personen involviert sind. Es geht nicht nur um den eigenen Job, sondern auch um Arbeitsbedingungen für den Partner oder die Partnerin sowie um die Schul- und Kindergartenplätze für die Kinder. Man sollte auch die Abmeldung in Deutschland und die Organisation des Umzugs in die Schweiz sorgfältig planen.

Finanzskalpell: Was sind die größten bürokratischen Hürden beim Auswandern in die Schweiz und wie kann man diese überwinden?

Martin Werner: Es gibt keine besonderen bürokratischen Hürden für EU-Bürger. Es sind einige Ummeldungen und Anmeldungen erforderlich, wie beispielsweise die Umschreibung des Führerscheins. Für Nicht-EU-Bürger ist die größte Hürde die berufliche Anerkennung und der Erhalt eines Aufenthalts- und Arbeitstitels. 

Finanzskalpell: Welche Rolle spielt die Kenntnis der Landessprachen und wie wichtig ist es, diese im Voraus zu erlernen?

Martin Werner: Die Kenntnis der Landessprachen spielt eine wichtige Rolle, insbesondere wenn man im italienischen oder französischen Teil der Schweiz arbeiten möchte. In der Deutschschweiz kann man mit Hochdeutsch gut zurechtkommen, aber es ist empfehlenswert, sich mit dem Dialekt vertraut zu machen, um die Integration zu erleichtern. Wenn man in einem bilingualen Kanton arbeiten möchte, ist es natürlich von großem Vorteil, wenn man beide Sprachen spricht, also beispielsweise Deutsch und Französisch.

Finanzskalpell: Wie sieht der Arbeitsmarkt für Mediziner in der Schweiz aktuell aus? Gibt es besondere Fachrichtungen, die besonders gefragt sind?

Martin Werner: Der Arbeitsmarkt für Mediziner und Pflegekräfte ist sehr gut. Besonders gefragte Fachrichtungen sind Allgemeinmedizin, Hausarztmedizin, Psychiatrie für Erwachsene und Kinder sowie Pädiatrie. Auch in anderen Fachgebieten besteht Bedarf.

Finanzskalpell: Welche Unterschiede gibt es zwischen dem Schweizer und dem deutschen Gesundheitssystem, insbesondere in Bezug auf Arbeitsbedingungen und Gehälter. 

Martin Werner: Im Schweizer Gesundheitssystem gibt es einen sehr hohen Qualitätsanspruch und noch vorhandene finanzielle und personelle Ausstattung. In der Schweiz ist der Sozialstaat deutlich weniger ausgeprägt, das heißt die Arbeitszeiten sind länger und die Ferien kürzer als in Deutschland. Die Gehälter sind in vielen Fällen höher, aber man benötigt diese auch für die höheren Lebenshaltungskosten.

Finanzskalpell: Welche Möglichkeiten zur beruflichen Weiterentwicklung und Spezialisierung gibt es in der Schweiz?

Martin Werner: In der Schweiz hat man alle Möglichkeiten, als Assistenzarzt den Facharzt zu erwerben und sich später zu spezialisieren. Besonders die Spezialisierung ist oft möglich, wenn man bereits einige Jahre Erfahrung in der Schweiz gesammelt hat. In Leitungsfunktionen zu kommen, erfordert jedoch oft Kenntnisse der Schweizer Kultur und Kommunikationsweisen.

Finanzskalpell: Welche Tipps haben Sie für Mediziner, die mit ihren Familien in die Schweiz ziehen möchten?

Martin Werner: Es ist wichtig, die familiäre Situation gut zu organisieren. Elternzeit in der Schweiz ist kürzer als in Deutschland und die Kinderbetreuung ist teurer. Außerdem sollte man bedenken, dass bei einem Umzug in die Schweiz das soziale Netz für die Kinderbetreuung zum Beispiel durch die Großeltern nicht mehr zur Verfügung steht. 

Finanzskalpell: Wie sieht die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Mediziner in der Schweiz aus?

Martin Werner: Die Vereinbarkeit zwischen Beruf und Familie ist im Gesundheitswesen grundsätzlich eine Herausforderung, sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz. Der Erholungswert in der Schweiz ist hoch, aber wenn beide Elternteile Vollzeit arbeiten, muss man sowohl Beruf als auch Freizeit gut organisieren, um davon profitieren zu können. 

Finanzskalpell: Gibt es besondere Netzwerke oder Organisationen, die Sie empfehlen können, um sich schneller in der neuen Umgebung zurechtzufinden?

Martin Werner: Es gibt verschiedene Gewerkschaftsorganisationen und Fachverbände, die hilfreich sind. Es ist auch wichtig, sich privat zu vernetzen, beispielsweise durch Sportvereine und Freizeitorganisationen, um schnell private Kontakte zu knüpfen und ein Netzwerk aufzubauen.

Finanzskalpell: Können Sie uns einige Erfolgsgeschichten von Ärztinnen und Ärzten erzählen, die Sie bei ihrem Umzug in die Schweiz unterstützt haben. 

Martin Werner: Ich habe beispielsweise einen slowakischen Arzt begleitet, der als Assistenzarzt in Deutschland ausgebildet wurde und jetzt eine leitende Funktion in der Schweiz übernommen hat. Der Wechsel verlief perfekt, und er hat sich gut eingelebt. Ich höre jedoch auch von Gegenbeispielen, bei denen Personen nach kurzer Zeit wieder zurückgekehrt sind, weil sie sich alleine fühlten und niemanden zur Unterstützung hatten. Auswandern ist emotional herausfordernd, und man braucht jemanden an der Seite, der einen unterstützt.

Finanzskalpell: Was sind die häufigsten Stolpersteine, die Mediziner auf dem Weg in die Schweiz erleben, und wie kann man diese vermeiden?

Martin Werner: Zunächst sollte man sich fragen, warum man in die Schweiz auswandern möchte. Rennt man vielleicht nur vor Problemen weg, die dann in der Schweiz wieder auftreten? Hat man eine rosarote Brille von der Schweiz auf und sieht nicht, dass es bei Licht auch etwas Schatten geben muss. Es ist auch ratsam, frühzeitig professionelle Beratung und Unterstützung in Anspruch zu nehmen.

Finanzskalpell: Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung des Mediziner-Marktes in der Schweiz? Gibt es neue Trends oder Veränderungen, die Sie beobachten?

Martin Werner: Ich gehe davon aus, dass der Bedarf an Fachkräften im Gesundheitswesen in der Schweiz auch in Zukunft hoch bleiben wird. Ein Trend, den ich beobachte, ist der zunehmende Fokus auf ambulante Versorgung. Die steigenden Kosten im Gesundheitswesen und die Krankenversicherung werden ebenfalls weiterhin Diskussionen und Veränderungen hervorrufen. Trotz dieser Herausforderungen wird der Bedarf an qualifizierten Ärzten und Pflegekräften weiterhin bestehen.

Finanzskalpell: Welche Ratschläge würden Sie Ärzten geben, die aktuell über einen Umzug in die Schweiz nachdenken?

Martin Werner: Wer sich für das Thema auswandern in die Schweiz interessiert, sollte sich ausgiebig informieren und jemand zu Rate ziehen, der in sich auskennt und die Erfahrung am besten selbst gemacht hat. Man kann das Thema Auswandern theoretisch auch allein angehen. Mit Begleitung und Erfahrung geht es deutlich schneller und man spart man sich Zeit und Frust.

Finanzskalpell: Vielen Dank für das Interview.

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