Praxis
Praxisoptimierung durch Lean Management
Lesedauer: 7 Minuten
05.07.2024
Einführung
Wenn du Inhaberin bzw. Inhaber einer eigenen Praxis bist, stehst du in letzter Zeit vor immer größeren Herausforderungen: steigende Kosten, zunehmender administrativer Aufwand und der hohe Anspruch an die Qualität der Patientenversorgung. Genau hier setzt Lean Management an. Ursprünglich aus der Automobilindustrie stammend hat sich dieses Konzept als effektives Werkzeug zur Prozessoptimierung und Effizienzsteigerung in zahlreichen Branchen bewährt.
Lean Management zielt darauf ab, Verschwendungen zu minimieren und die Wertschöpfung zu maximieren. In einer Arztpraxis kann dies bedeuten, Arbeitsabläufe zu straffen, Wartezeiten zu reduzieren und Ressourcen optimal zu nutzen. Dies führt einerseits zu einer Verbesserung der Patientenzufriedenheit und andererseits zu einer spürbaren Entlastung des Praxisteams und einer Reduktion der Betriebskosten.
In diesem Artikel erfährst du, wie du die Prinzipien des Lean Managements in deiner eigenen Praxis umsetzen kannst. Wir werden dir die Grundlagen erläutern, Vorteile aufzeigen und konkrete Schritte zur Implementierung vorstellen.
Was genau ist Lean Management?
Ursprünglich wurde Lean Management in den 1950er Jahren von Toyota entwickelt und als Toyota Produktionssystem bekannt. Ziel war es, die Produktion zu optimieren und die Produktqualität zu steigern, während gleichzeitig Kosten reduziert wurden.
Die Grundprinzipien des Lean Managements lassen sich in drei Hauptbereiche unterteilen:
Wertschöpfung: Alles, was zur Wertsteigerung aus Sicht der Kundinnen und Kunden beiträgt, wird als wertschöpfend betrachtet. In einer Arztpraxis bedeutet dies, dass alle Aktivitäten, die zur Verbesserung der Patientenversorgung beitragen, als wertvoll angesehen werden.
Verschwendung vermeiden: Lean Management identifiziert und eliminiert Aktivitäten, die keine Wertschöpfung bringen. Diese Verschwendungen können in verschiedenen Formen auftreten, wie z.B. überflüssige Bewegungen, Wartezeiten, Überproduktion oder unnötige Lagerhaltung.
Kontinuierliche Verbesserung (Kaizen): Kaizen ist das japanische Wort für “Veränderung zum Besseren” und steht für eine Kultur der ständigen Verbesserung. Im Kontext von Lean Management bedeutet dies, dass alle Mitarbeitenden kontinuierlich nach Möglichkeiten suchen, Prozesse zu verbessern und effizienter zu gestalten.
Das Potenzial von Lean Management im Gesundheitswesen allgemein und in einer eigenen Praxis kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Es hilft dabei, die knappen Ressourcen im Gesundheitswesen optimal zu nutzen und eine nachhaltige Praxisführung sicherzustellen. Durch die Anwendung der genannten Prinzipien kannst du in deiner Praxis die Effizienz steigern, die Patientenzufriedenheit erhöhen und die Betriebskosten senken. .
Warum Lean Management in der Arztpraxis?
Arztpraxen stehen täglich vor einer Vielzahl von Herausforderungen. Zeitdruck durch eng getaktete Terminpläne, stetig steigende Kosten und die Komplexität des Patientenmanagements sind nur einige der Probleme, mit denen wir tagtäglich konfrontiert sind. Ineffiziente Arbeitsabläufe führen zu unnötigen Wartezeiten, erhöhen den Stress für das Praxisteam und können letztlich auch die Qualität der Patientenversorgung beeinträchtigen.
Hier setzt Lean Management an. Durch die Anwendung der Lean-Prinzipien können erhebliche Verbesserungen erzielt werden:
Effizienzsteigerung: Durch die Identifikation und Beseitigung von Verschwendungen werden Arbeitsprozesse gestrafft und die Effizienz der Praxis erheblich gesteigert. Dies bedeutet, dass mehr Zeit für die Patientenversorgung zur Verfügung steht und weniger Zeit für administrative Aufgaben drauf geht.
Verbesserte Patientenzufriedenheit: Kürzere Wartezeiten und ein reibungsloserer Praxisablauf führen zu zufriedeneren Patientinnen und Patienten. Wenn diese sehen, dass ihre Zeit wertgeschätzt wird und sie qualitativ hochwertige Versorgung erhalten, steigt die Zufriedenheit und die Wahrscheinlichkeit, dass sie die Praxis weiterempfehlen.
Reduzierte Kosten: Durch effizientere Prozesse und die Vermeidung von Verschwendung können die Betriebskosten zum Teil deutlich gesenkt werden. Dies ist besonders wichtig in einem Umfeld, in dem die Kosten steigen, die Vergütung jedoch nicht im selben Maße.
Erfolgreiche Anwendungen von Lean Management im Gesundheitswesen zeigen, dass sich damit nicht nur in der Industrie, sondern auch im Gesundheitssystem große Erfolge erzielen lassen.
Die 5 Prinzipien des Lean Managements
Wert definieren: Was ist wertvoll für deine Patientinnen und Patienten?
Der erste Schritt im Lean Management ist die Definition dessen, was für deine Patientinnen und Patienten wertvoll ist. Im Gesundheitswesen stehen die Patienten im Mittelpunkt, und daher sollte jede Maßnahme darauf abzielen, deren Bedürfnisse und Erwartungen zu erfüllen.
Um Patientenbedürfnisse zu identifizieren, können Patientenbefragungen und Feedback-Systeme eingesetzt werden. Hierbei können häufige Anliegen wie kurze Wartezeiten, freundliches Personal und eine gründliche medizinische Betreuung herausgearbeitet werden. Beispiele für wertsteigernde Tätigkeiten sind sind z.B. eine gute Terminplanung, welche Wartezeiten reduziert, kurze Laufwege sowie eine adäquate Aufklärung z.B. vor einer geplanten Operation.
Wertstromanalyse: Identifikation und Analyse von Prozessen
Die Wertstromanalyse dient dazu, alle Prozesse in deiner Praxis zu identifizieren und zu analysieren, um wertschöpfende von nicht-wertschöpfenden Aktivitäten zu unterscheiden. Eine Wertstromkarte hilft dabei, den gesamten Ablauf von der Terminvereinbarung bis zur Nachsorge visuell darzustellen. Dabei werden alle Schritte dokumentiert, die zur Erbringung einer Behandlung notwendig sind.
Durch die Analyse dieser Karte können Engpässe und Verschwendungen identifiziert werden. Beispielsweise könnten übermäßige Wartezeiten zwischen verschiedenen Behandlungsschritten oder unnötige administrative Aufgaben als nicht-wertschöpfende Aktivitäten erkannt werden. Dein Ziel sollte es sein, diese Engpässe zu beseitigen und die Prozesse so zu gestalten, dass der Wert für die Patienten maximiert wird.
Flow-Prinzip: Schaffung eines kontinuierlichen Arbeitsflusses
Das Flow-Prinzip zielt darauf ab, durch die Optimierung von Arbeitsabläufen einen kontinuierlichen Arbeitsfluss in deiner Praxis zu schaffen. Dies bedeutet, dass unnötige Wartezeiten und Unterbrechungen minimiert werden, um einen reibungslosen Ablauf der Patientenversorgung zu gewährleisten.
Ein kontinuierlicher Arbeitsfluss kann beispielsweise durch die Neugestaltung von Arbeitsplätzen und die Einführung von Standardarbeitsanweisungen erreicht werden. Dies stellt sicher, dass alle Mitarbeitenden genau wissen, welche Schritte zu welchem Zeitpunkt erforderlich sind. Auch die Koordination zwischen verschiedenen Abteilungen oder Bereichen der Praxis spielt eine wichtige Rolle. Durch regelmäßige Überprüfung und Anpassung der Arbeitsabläufe können diese stetig verbessert und an aktuelle Anforderungen angepasst werden.
In vielen Praxen stellt der Patientenempfang ein Nadelöhr dar. Mehr zur Optimierung des Empfang findest du auch in diesem Blogartikel.
Pull-Prinzip: Bedarfsgesteuerte Prozesssteuerung
Das Pull-Prinzip im Lean Management bedeutet, dass Prozesse nur dann durchgeführt werden, wenn tatsächlich Bedarf besteht. Dies verhindert Überproduktion und unnötige Lagerhaltung, was auch in Arztpraxen von Bedeutung ist, damit Ressourcen optimal genutzt werden.
In der Praxis kann dies durch eine bedarfsgerechte Terminplanung und Ressourcenverteilung umgesetzt werden. Beispielsweise sollten Medizinprodukte nicht im Übermaß bestellt werden. Dies vermeidet sowohl überfüllte Lagerräume als auch die Verschwendung von Ressourcen. Durch eine bedarfsgesteuerte Prozesssteuerung können Kosten reduziert und die Effizienz der Praxis gesteigert werden.
Kontinuierliche Verbesserung (Kaizen): Ständige Optimierung
Kaizen bedeutet auf Japanisch “Veränderung zum Besseren” und steht im Zentrum von Lean Management. Dieses Prinzip ermutigt alle Mitarbeitenden in der Praxis, ständig nach Möglichkeiten zur Verbesserung der Arbeitsabläufe und Prozesse zu suchen. Eine Kultur der kontinuierlichen Verbesserung fördert Innovation und Engagement innerhalb des Teams.
In der Praxis kann dies durch regelmäßige Teambesprechungen umgesetzt werden, in denen Verbesserungsvorschläge diskutiert und bewertet werden. Auch die Einführung eines Systems zur Erfassung und Analyse von Verbesserungspotentialen kann hilfreich sein. Indem das gesamte Praxisteam in den Prozess der kontinuierlichen Verbesserung eingebunden wird, können innovative Lösungen gefunden und umgesetzt werden, die die Effizienz steigern und die Patientenzufriedenheit erhöhen.
Praktische Schritte zur Implementierung von Lean Management der eigenen Praxis
Schritt 1: Vorbereitung und Schulung deines Teams
Der erste Schritt zur Implementierung von Lean Management in deiner Praxis ist die gründliche Vorbereitung und Schulung deines Praxisteams. Es ist wichtig, dass alle ein grundlegendes Verständnis für die Prinzipien und Ziele des Lean Managements entwickeln. Solche Schulungen können durch interne Workshops oder externe Schulungsangebote erfolgen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Benennung eines Lean Management Koordinators (am ehesten ist das die Praxisinhaberin bzw. der Praxisinhaber selbst). Diese Person ist dafür verantwortlich, die Implementierung zu überwachen, das Team zu unterstützen und sicherzustellen, dass die Lean-Prinzipien konsequent angewendet werden.
Schritt 2: Analyse und Bewertung aktueller Prozesse
Im zweiten Schritt erfolgt die Analyse und Bewertung der aktuellen Prozesse in deiner Praxis. Eine umfassende Bestandsaufnahme aller Arbeitsabläufe und Tätigkeiten ist notwendig, um ein genaues Bild der Ist-Situation zu erhalten. Hierbei sollten alle Prozesse dokumentiert und in einer Wertstromkarte visualisiert werden.
Durch diese Analyse können Verbesserungspotentiale identifiziert und Engpässe sowie Verschwendungen aufgedeckt werden. Wichtige Fragen hierbei sind: Wo treten häufig Wartezeiten auf? Welche Tätigkeiten sind besonders zeitaufwendig? Welche Prozesse verursachen unnötige Kosten? Die Antworten auf diese Fragen liefern wertvolle Informationen, die als Grundlage für die Optimierung dienen.
Schritt 3: Umsetzung von Lean Methoden
Der dritte Schritt beinhaltet die praktische Umsetzung der Lean Methoden in deiner Praxis. Eine bewährte Methode ist das 5S-System, das aus fünf Schritten besteht: Sortieren, Systematisieren, Säubern, Standardisieren und Selbstdisziplin. Dieses System hilft dabei, Ordnung und Effizienz am Arbeitsplatz zu schaffen.
Abhängig von deiner Fachrichtung könntest du auch überlegen das Kanban-System einzuführen, um die Steuerung von Arbeitsabläufen zu verbessern. Kanban nutzt visuelle Signale, um den aktuellen Arbeitsstatus anzuzeigen und Engpässe frühzeitig zu erkennen. Dies erleichtert die Steuerung der Aufgaben und verhindert Überlastungen.
Die Implementierung von Standardarbeitsanweisungen sorgt dafür, dass alle Mitarbeiter nach einheitlichen Prozessen arbeiten. Dies minimiert Fehler und stellt sicher, dass die Patientenversorgung konsistent und hochwertig ist.
Schritt 4: Kontinuierliche Überwachung und Anpassung
Der letzte Schritt ist die kontinuierliche Überwachung und Anpassung der implementierten Lean Methoden. Es ist wichtig, die Prozesse regelmäßig zu überprüfen und Feedback von Mitarbeitenden und Patienten einzuholen. Regelmäßige Teambesprechungen bieten eine Plattform, um Verbesserungsvorschläge zu diskutieren und notwendige Anpassungen vorzunehmen.
Eine Kultur der kontinuierlichen Verbesserung (Kaizen) stellt sicher, dass die Praxis stets auf einem hohen Effizienzniveau arbeitet. Durch die Einbindung des gesamten Praxisteams können innovative Ideen und Lösungen entwickelt werden, die die Arbeitsabläufe weiter optimieren und die Patientenzufriedenheit erhöhen.
Fazit
Mit Hilfe von Lean Management Methoden kannst du deine Arztpraxis effizienter und patientenorientierter gestalten. Durch die Definition von wertschöpfenden Tätigkeiten, die Analyse und Optimierung von Prozessen sowie die kontinuierliche Verbesserung ist es darüberhinaus möglich, die Betriebskosten zu senken und die Arbeitsbedingungen für dein Team zu verbessern.
Zusammengefasst bedeutet Lean Management, dass du Verschwendung minimierst, einen kontinuierlichen Arbeitsfluss schaffst, deine Ressourcen bedarfsgerecht steuerst und eine Kultur der kontinuierlichen Verbesserung etablierst. Die Implementierung dieser Prinzipien erfordert Engagement und Zusammenarbeit des gesamten Praxisteams.
Beginne mit kleinen Schritten, wie der Einführung von 5S oder der Erstellung einer Wertstromkarte, und beobachte die positiven Veränderungen in deiner Praxis. Kleine, kontinuierliche Verbesserungen können langfristig zu erheblichen Effizienzsteigerungen führen..
Weitere Ressourcen
Wenn du dich weiter über Lean Management informieren möchtest, können folgende Bücher hilfreich sein.
Lean Management: Einführung und Vertiefung in die japanische Management-Philosophie * von Frank Bertagnolli
The Toyota Way to Lean Leadership: Achieving and Sustaining Excellence Through Leadership Development * von Jeffrey Liker
*Affiliate Link: Finanzskalpell.com ist Teilnehmer des Amazon-Partnerprogramm, das zur Bereitstellung eines Mediums für Webseiten konzipiert wurde, mittels dessen durch die Platzierung von Partner-Links zu Amazon.de Entgelte verdient werden können.
Neueste Artikel
Bleib auf dem laufenden