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Kassenärztliche Praxis oder reine Privatpraxis gründen?

Schild mit der Aufschrift Privat als Symbol für eine Privatpraxis
Schild mit der Aufschrift Privat als Symbol für eine Privatpraxis
Schild mit der Aufschrift Privat als Symbol für eine Privatpraxis

Lesedauer: 7 Minuten

20.01.2024

Einleitung

Viele von uns stehen irgendwann vor der Entscheidung, ob wir weiter an einer Klinik oder Praxis angestellt bleiben oder uns als Vertragsärzte niederlassen möchten. In den letzten Jahren kommt durch das zunehmende Ungleichgewicht von Arbeitsbelastung und Vergütung im GKV-Bereich für viele Niederlassungswillige alternativ zu einer Niederlassung als Vertragsarzt bzw. -ärztin zunehmend auch die Gründung einer reinen Privatpraxis in Betracht.

Während die Zulassung als Vertragsarzt die Voraussetzung für die Behandlung gesetzlich Versicherter ist, welche über Fallpauschalen und Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) finanziert wird, bietet die reine Privatpraxis eine potenziell höhere Vergütung über die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ). Wer sich mit einer Privatpraxis niederlässt, behandelt ausschließlich privat Versicherte oder Selbstzahler.

Hinter dieser Entscheidung verbergen sich tiefgreifende Implikationen, die nicht nur die tägliche Arbeit, sondern auch die langfristige berufliche Zufriedenheit beeinflussen. Nicht zuletzt geht es auch darum, welchen Stellenwert du in unserem Gesundheitssystem einnehmen möchtest.

  1. Historischer Rückblick

Bereits Ende des 19. Jahrhunderts legte Otto von Bismarck mit der Einführung der Krankenversicherung den Grundstein für das, was wir heute als GKV kennen. Die Idee dahinter? Eine breite Basisversorgung für alle. Doch nicht alle Bürgerinnen und Bürger konnten Mitglied der GKV werden, zum Beispiel Lehrer und Beamte. Hierdurch kam es zur Gründung von privaten Versicherungsunternehmen, wodurch sich dieser Personenkreis (und später auch gut verdienende Angestellte) privat krankenversichern konnten.

Mit zunehmendem medizinischen Fortschritt und steigenden Ansprüchen an individuelle Behandlungen entstand parallel dazu vor allem in großen Ballungszentren mit Zulassungsbeschränkungen ein Markt für Privatpraxen, in denen nur Privatversicherte sowie Selbstzahlerinnen und Selbstzahler behandelt werden. Während die GKV-Praxen heute den Großteil der Bevölkerung versorgen und das Rückgrat des Systems bilden, bieten Privatpraxen ihrer Klientel oft einen deutlich besseren Service mit schneller Terminvergabe und ausreichend Zeit für eine adäquate Behandlung.

  1. Kassenärztliche Praxis gründen: Vor- und Nachteile

Die Entscheidung für eine GKV-Praxis birgt sowohl Chancen als auch Herausforderungen. Bevor du dich festlegst, solltest du die Vor- und Nachteile dieses Modells genauer unter die Lupe nehmen.

Vorteile der Gründung einer Vertragsarztpraxis

  • Gesicherte Patientenbasis durch gesetzlich Versicherte: In Deutschland sind über 70 Millionen Menschen gesetzlich versichert. Das bedeutet für dich mit einer GKV-Praxis eine stetige und breite Patientenbasis. Du musst dir weniger Gedanken darüber machen, ob genug Patienten den Weg in deine Praxis finden, da der Großteil der Bevölkerung zu deinem potenziellen Patientenkreis gehört.

  • Regelmäßige Einnahmen durch GKV-Vergütung: Im Gegensatz zu Privatpraxen, in denen dein Einkommen durch schwankende Patientenzahlen stark beeinflusst werden kann, bietet die GKV-Praxis durch die kassenärztliche Vergütung eine gewisse finanzielle Stabilität, da ein gewisser Patientenzustrom durch die Bedarfsplanung nahezu garantiert ist. Dies ermöglicht es dir, auch langfristige Investitionen in deine Praxis zu tätigen. Jedoch hat die Planbarkeit hier in den letzten Jahren etwas gelitten, beispielsweise durch die Einführung und Wiederabschaffung der Neupatientenregelung.

Nachteile der Gründung einer Kassenarztpraxis

  • Oftmals hoher Patientenstrom mit deutlich weniger Zeit pro Patient: Der große Patientenpool, der mit einer GKV-Praxis einhergeht, hat auch seine Schattenseiten. Oft sind die Wartezeiten für Termine lang, und du kannst dir möglicherweise nicht so viel Zeit für jeden einzelnen Patienten nehmen, wie du es gerne würdest. Dies kann sowohl für dich als auch für die Patientinnen und Patienten stressig und unbefriedigend sein.

  • Begrenzte Honorare und Budgetierung: Während Privatärzte ihre Honorare anhand der GOÄ berechnen können, sind Kassenärzte an Quartalspauschalen und EBM-Abrechnungsziffern gebunden. Das bedeutet, dass es Obergrenzen für die Vergütung gibt, die du für deine Leistungen erhältst. In manchen Fällen kann dies dazu führen, dass du das Gefühl hast, für deinen Aufwand und deine Expertise nicht angemessen entlohnt zu werden.

  • Eventuelle Restriktionen bei Behandlungsmethoden: Als Teil des GKV-Systems bist du an bestimmte Leitlinien und Richtlinien gebunden. Dies kann in einigen Fällen bedeuten, dass du nicht immer die neuesten oder innovativsten Behandlungsmethoden anbieten kannst, auch wenn du überzeugt bist, dass sie für deine Patientinnen und Patienten von Vorteil wären.

Zusammengefasst bietet eine GKV-Praxis eine stabile und relativ sichere Grundlage für deine Existenzgründung. Aber wie bei jeder Entscheidung gibt es auch hier einige Nachteile, sodass es an dir liegt zu entscheiden, welche Aspekte dir am wichtigsten sind und welche Rolle du im Gesundheitssystem spielen möchtest.

  1. Privatpraxis gründen: Vor- und Nachteile

Während die GKV-Praxis ihre individuellen Vor- und Nachteile hat, stellt die reine Privatpraxis eine interessante Option mit Chancen, aber eindeutig auch Tücken dar. Um sich hier nicht zu verzetteln, ist es wichtig, sich vorab genau zu informieren.

Vorteile der Gründung einer Privatpraxis

  • Potenziell deutlich höhere Honorare: Ein entscheidender Vorteil der Privatpraxis ist die Möglichkeit, jede von dir erbrachte medizinische Leistung anhand der GÖÄ abrechnen zu können. Dies gibt dir die Möglichkeit, für deine Dienstleistungen und deine Expertise angemessener vergütet zu werden.

  • Mehr Zeit und Flexibilität für Patientenbehandlungen: Ohne den Druck eines ständig hohen Patientenaufkommens, wie er oft in GKV-Praxen vorkommt, kannst du dir in einer Privatpraxis mehr Zeit für jeden einzelnen Patienten bzw. jede Patientin nehmen nehmen. Dies ermöglicht nicht nur eine tiefere Patientenbindung, sondern auch eine genauere Diagnostik und individuellere Behandlungspläne.

  • Potenzielle Spezialisierung auf bestimmte Patientengruppen: Eine Privatpraxis bietet die Möglichkeit, sich stärker auf bestimmte Patientengruppen oder spezialisierte Behandlungsbereiche zu konzentrieren. Dies kann dir erlauben, dich als Experte auf einem spezifischen Gebiet zu etablieren und so eine Nische zu besetzen, die in der breiten GKV-Versorgung vielleicht nicht so präsent ist.

Nachteile der Gründung einer Prixatpraxis

  • Schwankungsrisiko hinsichtlich Patientenanzahl und folglich unregelmäßige Einnahmen: Der größte Nachteil der Privatpraxis liegt in ihrer Unvorhersehbarkeit. Ohne die gesicherte Patientenbasis der GKV kann es zu starken Schwankungen in den Patientenzahlen und damit auch im Einkommen kommen. Zeiten mit weniger Patienten bedeuten nicht nur weniger Einnahmen, sondern können auch Unsicherheit und Stress mit sich bringen.

  • Mehr Aufwand bei Administration und Abrechnung: Die individuelle Preisgestaltung und der Fokus auf Privatpatienten oder Selbstzahler bringen auch einen erhöhten administrativen Aufwand mit sich. Jede Rechnung muss individuell erstellt werden und die Kommunikation mit verschiedenen privaten Krankenversicherungen kann zeitaufwendig und kompliziert sein. Hierfür gibt es spezielle Abrechnungsdienstleister, mit denen sich dieser Mehraufwand signifikant reduzieren lässt.

  • Notwendigkeit, Patientenvertrauen aktiv aufzubauen: In der GKV-Praxis kommen die meisten Patienten zu dir, weil du in der Nähe ihres Wohnortes bzw. ihrer Arbeitsstelle tätig bist. In der Privatpraxis ist es jedoch essenziell, aktiv Vertrauen aufzubauen und sich einen Namen zu machen. Dies kann gerade zu Beginn eine Herausforderung sein und erfordert neben medizinischem Know-how auch Marketingkompetenzen.

Insgesamt bietet die reine Privatpraxis viel Freiheit und Potenzial, sowohl finanziell als auch in der Art und Weise, Medizin nach deinen Wünschen zu praktizieren. Aber diese Freiheit kommt auch mit der Notwendigkeit, ständig aktiv am Ball zu bleiben und die Praxis immer wieder neu auszurichten. Es ist eine Frage des persönlichen Stils und der Prioritäten, welches Modell für dich das richtige ist.

  1. Finanzielle Aspekte im Vergleich

Die Entscheidung zwischen einer GKV-Praxis und einer reinen Privatpraxis ist nicht nur eine Frage der Arbeitsweise, sondern hat auch tiefgreifende finanzielle Auswirkungen.

Umsatzmöglichkeiten in beiden Praxismodellen

  • Kassenärztliche Praxis: Hier erhältst du jeweils am Quartalsende ein Honorar von der Kassenärztlichen Vereinigung, die zwar stabile Einnahmen garantiert, aber auch an Quartalspauschalen und EBM-Ziffern gebunden ist. Der Vorteil liegt in der kontinuierlichen Patientenbasis und somit in regelmäßigen Einnahmen.

  • Privatpraxis: Bei einer erfolgreichen Positionierung und guten Patientenbindung können die Einnahmen deutlich über denen einer GKV-Praxis liegen, andererseits sind sie jedoch auch weniger vorhersehbar.

Betriebskosten und Investitionen

  • GKV-Praxis: Die Kostenstrukturen sind oft klarer definiert. Da viele Prozesse standardisiert sind, können bestimmte Abläufe ggf. kosteneffizienter gestaltet werden. Investitionen in moderne Geräte oder Behandlungsmethoden sind jedoch immer noch erforderlich, um wettbewerbsfähig zu bleiben.


  • Privatpraxis: Die Betriebskosten können variieren, je nachdem, welche Dienstleistungen angeboten werden und wie die Praxis positioniert ist. Investitionen in Spezialgeräte oder hochwertige Ausstattung können jedoch zu höheren Umsätzen führen.

Langfristige finanzielle Perspektiven und Risiken

  • Kassenärztliche Praxis: Die langfristige finanzielle Perspektive ist relativ stabil. Da die meisten Menschen in Deutschland gesetzlich versichert sind, ist die Patientenbasis gesichert. Das Risiko von starken finanziellen Schwankungen ist geringer. Es besteht jedoch aufgrund steigender Behandlungskosten, demographischem Wandel sowie begrenzten finanziellen Mitteln im GKV-System das Risiko möglicher zukünftiger Sparzwänge.


  • Privatpraxis: Die Chancen für einen hohen Verdienst sind im Vergleich besser, die Gründung einer Privatpraxis ist aber auch risikoreicher. Marktveränderungen, Konkurrenz oder Veränderungen im Gesundheitssystem können direkte Auswirkungen auf den Umsatz haben. Eine gute Positionierung und ständige Anpassung sind daher essenziell.

Die finanzielle Seite der Auswahl der Praxisform ist nicht zu unterschätzen. Es ist wichtig, dass du nicht nur deine medizinischen, sondern auch deine finanziellen Ziele klar definierst und auf dieser Basis eine informierte Entscheidung triffst.

  1. Praktische Überlegungen bei der Praxisgründung

Neben finanziellen Aspekten gibt es weitere praktische Überlegungen, die in deine Entscheidung für einen Praxistyp einfließen sollten.

  • Standortwahl und dessen Bedeutung für den Praxistyp: Der Standort deiner Praxis kann entscheidend für ihren Erfolg sein. In dicht besiedelten Gebieten kann eine GKV-Praxis von der hohen Anzahl gesetzlich Versicherter profitieren. Andererseits kann in gehobenen Wohngegenden oder Metropolen mit vielen Privatversicherten eine Privatpraxis gut laufen. Bedenke auch Faktoren wie Mietpreise, Erreichbarkeit und Konkurrenz in der Umgebung.

  • Mitarbeitermanagement und -bindung: Unabhängig vom Praxistyp ist es essenziell, gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden. In einer GKV-Praxis mit hohem Patientenstrom sind effiziente Abläufe und Teamarbeit besonders wichtig. In einer Privatpraxis kann es mehr um Spezialisierung und individuellen Service gehen. In beiden Fällen solltest du in Fortbildungen und ein gutes Arbeitsklima investieren, um qualifiziertes Personal zu gewinnen und zu halten.

  • Marketing und Präsenz im Netz: In der heutigen digitalen Zeit ist eine ansprechende Onlinepräsenz unerlässlich. Während GKV-Praxen oft von ihrer lokalen Vernetzung mit Zuweisern profitieren, müssen Privatpraxen stärker in Marketing investieren. Eine professionelle Webseite, Patientenbewertungen und aktive Social-Media-Präsenz können hier den Unterschied machen.

Insgesamt sind es diese praktischen Überlegungen, die oft über den langfristigen Erfolg einer Praxis entscheiden, unabhängig von ihrem Typ.

  1. Persönliche Überlegungen bei der Praxisgründung

Am Ende des Tages, jenseits von Zahlen und praktischen Überlegungen, spielt auch dein persönliches Empfinden eine zentrale Rolle bei der Wahl des Praxismodells.

  • Welche Werte sind dir wichtig? Möchtest du so vielen Menschen wie möglich helfen und siehst dich als Teil einer breiten Versorgungsbasis? Dann könnte eine GKV-Praxis deinen Werten näherkommen. Oder legst du Wert auf individuelle Betreuung und hochspezialisierte Dienstleistungen? Dann könnte eine Privatpraxis passender sein.

  • Wie siehst du deine Rolle im Gesundheitssystem? Siehst du dich als Teil eines größeren Systems, das die allgemeine Gesundheit der Bevölkerung sicherstellt? Oder als unabhängiger Dienstleister, der spezialisierte Leistungen anbietet?

  • Welche Work-Life-Balance strebst du an? Eine kassenärztliche Praxis kann durch den hohen Patientenstrom hektisch sein, bietet aber auch eine gewisse finanzielle Stabilität. Eine Privatpraxis erfordert möglicherweise mehr Engagement in Sachen Marketing und Patientenbindung, bietet aber auch mehr Flexibilität im Alltag. Wenn du mehr über Work-Life-Balance erfahren möchtest, lese dir gerne unseren entsprechenden Blogartikel durch.

Die Wahl zwischen GKV- und Privatpraxis ist nicht nur eine professionelle, sondern auch eine sehr persönliche Entscheidung.

Fazit

Die Entscheidung, eine Kassenarztpraxis oder eine reine Privatpraxis zu gründen, ist komplex und facettenreich. Einerseits bietet die GKV-Praxis Stabilität durch eine breite Patientenbasis. Auf der anderen Seite ermöglicht die Privatpraxis bei guter Positionierung höhere Einnahmen, eine bessere Work-Life-Balance und oft mehr Zeit für den Einzelnen.

Wichtig ist, dass du dich nicht nur von Zahlen leiten lässt, sondern auch tief in dich hineinhörst. Frage dich: Welcher Praxistyp entspricht wirklich meinen Werten und Vorstellungen von Medizin? Es ist eine Entscheidung, die weit über die berufliche Ebene hinausgeht und auch persönliche Überzeugungen und Lebenspläne berührt. Mehr zum Thema Praxisgründung findest du auch in diesem Blogartikel.

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