Finanzen
Umsatzsteuer in der Arztpraxis: So vermeidest du Fallstricke
Lesedauer: 7 Minuten
27.08.2023
Einleitung
Stell dir vor, du hast einen langen, anstrengenden Tag in deiner Praxis hinter dir: Du hast Patienten behandelt, Befunde geschrieben und dich um organisatorische Dinge gekümmert.
Jetzt sitzt du an deinem Schreibtisch, möchtest eigentlich den Feierabend einläuten und plötzlich kommt sie dir in den Sinn: die Umsatzsteuervoranmeldung. Gerade in Deutschland, wo das Steuerrecht als besonders komplex gilt, kann das Thema Umsatzsteuer für Ärztinnen und Ärzte wie ein Buch mit sieben Siegeln erscheinen.
Missverständnisse oder kleine Fehler können hier schnell zu unangenehmen finanziellen und rechtlichen Folgen führen. Doch keine Sorge! In diesem Artikel möchten wir dir auf verständliche Weise die Tücken und Besonderheiten der Umsatzsteuer in der Arztpraxis näherbringen und dir zeigen, wie du Fallstricke gekonnt umgehst.
Beachte bitte, dass du bei Unklarheiten oder vor spezifischen Entscheidungen immer steuerberaterliche Hilfe hinzuziehen solltest.
Grundlagen der Umsatzsteuer
In Deutschland ist die Umsatzsteuer, oft auch Mehrwertsteuer genannt, eine der Haupteinnahmequellen des Staates. Im Grunde genommen ist sie eine Verbrauchssteuer, die auf den Verkauf von Waren und Dienstleistungen erhoben wird.
Gemäß §2 Umsatzsteuergesetz (UStG) sind auch wir Ärztinnen und Ärzte Unternehmer. In diesem Gesetz heißt es nämlich, dass "Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt". Bist du also Inhaber:in einer Arztpraxis, so bist du Unternehmer und die von dir angebotenen Leistungen unterliegen grundsätzlich der Umsatzsteuerpflicht.
Für dich als Ärztin oder Arzt bedeutet das: Jedes Mal, wenn du eine umsatzsteuerpflichtige Leistung erbringst, musst du deinen Patienten dafür Umsatzsteuer berechnen und diese an das Finanzamt abführen. Klingt erstmal unangenehm, oder?
Zur Kostenreduktion für Patienten und Sozialversicherungsträger sind in Deutschland glücklicherweise viele heilberufliche Leistungen von der Umsatzsteuer befreit. Das betrifft vor allem therapeutische und diagnostische Maßnahmen, die direkt am Patienten erbracht werden und die der Vorbeugung, Diagnose, Behandlung und, soweit möglich, Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienen. Allerdings gibt es Ausnahmen und Grauzonen, bei denen man leicht den Überblick verlieren kann.
Leistungen, die nicht von der Umsatzsteuerbefreiung abgedeckt sind
Eben hast du erfahren, dass viele medizinische Leistungen von der Umsatzsteuer befreit sind. Allerdings gibt es auch solche, für die das nicht gilt und für die du Umsatzsteuer ans Finanzamt abführen musst. Es ist wichtig, dass du genau weißt, welche das sind, damit am Ende des Jahres keine bösen Überraschungen in Form von Steuernachzahlungen auf dich warten. Achtung: Die folgende Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Ästhetische Eingriffe: Ein typisches Beispiel sind ästhetische Eingriffe, die nicht aus medizinischer Notwendigkeit heraus durchgeführt werden. Wenn du also beispielsweise Faltenunterspritzungen oder Schönheits-OPs ohne medizinische Indikation anbietest, musst du in den meisten Fällen darauf Umsatzsteuer erheben.
Verkauf von Produkten: Bietest du in deiner Praxis zusätzlich Produkte wie Cremes, Nahrungsergänzungsmittel, Kontaktlinsen oder ähnliches an, die nicht direkt mit einer Behandlung in Zusammenhang stehen, fallen diese Verkäufe in der Regel unter die Umsatzsteuerpflicht.
Medizinische Gutachten für Dritte: Wenn du ein Gutachten für einen Dritten, etwa eine Versicherung oder einen Anwalt, erstellst, kann dies umsatzsteuerpflichtig sein. Das ist der Fall, wenn das Gutachten nicht direkt im Dienste der Patientenversorgung steht.
Seminare und Schulungen: Bietest du Fortbildungen oder Kurse an, die nicht spezifisch für die Patientenversorgung gedacht sind, sind diese Leistungen umsatzsteuerpflichtig.
Miet- und Verpachtung von Praxisräumen: Wenn du Teile deiner Praxis untervermietest, etwa an andere Heilberufler, kann dies umsatzsteuerliche Konsequenzen haben.
Es ist essenziell, dass du genau differenzierst, welche deiner Leistungen und Angebote umsatzsteuerbefreit sind und welche nicht. Das kann manchmal etwas kompliziert sein.
Bei Unsicherheiten oder wenn du dich in Grauzonen bewegst, ist es immer ratsam, dich von einer Steuerberatung beraten zu lassen. So kannst du sicherstellen, dass du alle steuerlichen Regelungen korrekt einhältst und nicht plötzlich mit unerwarteten Forderungen konfrontiert wirst.
"Kleinunternehmerregelung" und ihre Relevanz für Arztpraxen
Jetzt kommt ein Punkt, der besonders für Praxisgründer interessant ist: die Kleinunternehmerregelung. Wenn du im Vorjahr nicht mehr als 22000 Euro (Stand 2023) an Umsätzen erzielt hast und im aktuellen Jahr nicht auf mehr als 50000 Euro Umsatz kommen wirst, kannst du von dieser Regelung profitieren.
Diese Regelung ermöglicht dir trotz Erbringung umsatzsteuerpflichtiger Leitungen, dass du bis zu den genannten Umsatzgrenzen keine Umsatzsteuer abführen musst. Klingt verlockend, oder? Hierdurch ersparst du dir die monatliche Übermittlung einer Umsatzsteuervoranmeldung und sparst entsprechend Zeit.
Es ist wichtig, dass du auf deinen Rechnungen unter Hinweis auf § 19UStG angibst, warum keine Umsatzsteuer erhoben wird. Mehr dazu findest du hier. Aber Vorsicht: Die Entscheidung für die Kleinunternehmerrregelung hat auch Konsequenzen für den Vorsteuerabzug und sollte gut überlegt sein.
Vorsteuerabzug – Was ist das eigentlich?
Stell dir vor, du kaufst für deine Praxis einen neuen Untersuchungstisch. Auf der Rechnung siehst du neben dem Nettopreis auch einen Betrag für die Umsatzsteuer. Diese gezahlte Umsatzsteuer kannst du als sogenannte Vorsteuer vom Finanzamt zurückholen, wenn du umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbringst.
Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug
Du musst Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes sein.
Die Anschaffung muss für deine umsatzsteuerpflichtige Tätigkeit erfolgen.
Du brauchst eine ordnungsgemäße Rechnung mit ausgewiesener Umsatzsteuer.
Die Umsatzsteuervoranmeldung – Ein kurzer Überblick
Alle Umsatzsteuerzahler:innen müssen regelmäßig (monatlich, vierteljährlich oder jährlich – je nach Höhe des Umsatzes) eine Umsatzsteuervoranmeldung abgeben. Hier trägst du ein, wie viel Umsatzsteuer du in einem bestimmten Zeitraum eingenommen und wie viel Vorsteuer du gezahlt hast.
Was musst du dabei beachten?
Fristen einhalten! Die Umsatzsteuervoranmeldung muss in der Regel bis zum 10. des Folgemonats abgegeben werden.
Bei der Erstellung ist Genauigkeit gefragt. Jeder Fehler kann zu Nachfragen oder Problemen mit dem Finanzamt führen.
Die Differenz zwischen gezahlter Vorsteuer und eingenommener Umsatzsteuer musst du an das Finanzamt überweisen – oder bekommst sie erstattet, wenn du mehr Vorsteuer gezahlt als Umsatzsteuer eingenommen hast.
Ein kleiner Tipp zum Schluss: Auch wenn du den Vorsteuerabzug und die Umsatzsteuervoranmeldung vielleicht selbst erledigen könntest – oft lohnt es sich, diese Aufgaben einem Steuerberater bzw. einer Steuerberaterin zu überlassen. Diese kennen alle Kniffe und können dich vor möglichen Stolpersteinen bewahren. So kannst du dich voll und ganz auf deine Patienten konzentrieren und sicher sein, dass in Sachen Umsatzsteuer alles läuft!
Die häufigsten Fallstricke und wie du sie vermeidest
Das Umsatzsteuerrecht kann manchmal verwirrend sein. Aber keine Sorge, mit dem richtigen Wissen und etwas Achtsamkeit lassen sich Fallstricke leicht umgehen.
Gefahrenbereich Umsatzgrenzen: Wann wird man umsatzsteuerpflichtig?
Stell dir vor, deine Praxis floriert und du freust dich über steigende Einnahmen. Aber halt! Überschreitest du bestimmte Umsatzgrenzen, können sich die Vorschriften und Regelungen für dich ändern. Sofern du bislang die Kleinunternehmerregelung angewendet hast und dann über die genannten 22000 Euro an umsatzsteuerpflichtigen Leistungen im Vorjahr bzw. 50000 Euro im laufenden Jahr (Stand 2023) kommst, musst du auf die umsatzsteuerpflichtigen Leistungen Umsatzsteuer abführen und auch entsprechende Umsatzsteuervoranmeldungen abgeben.
Es ist daher entscheidend, die eigene Umsatzentwicklung im Blick zu haben und rechtzeitig zu reagieren.
Fehlerquellen bei der Rechnungsstellung: Richtige Angaben und Besonderheiten für Arztpraxen
Die Rechnung ist nicht nur ein Zahlungsdokument, sondern auch ein rechtliches. Für dich als Ärztin bzw. Arzt bedeutet das: Fehlen wichtige Angaben oder sind diese falsch, kann das finanzielle Konsequenzen haben.
Besonders heikel kann es werden, wenn du umsatzsteuerpflichtige und -befreite Leistungen vermischst. Daher: Achte darauf, alle notwendigen Informationen (z.B. Steuernummer, Umsatzsteuersatz) korrekt anzugeben und trenne, wo nötig, die unterschiedlichen Leistungen voneinander.
Du siehst, das Umsatzsteuerrecht hat seine Tücken. Aber mit dem nötigen Know-how und einem wachsamen Auge kannst du die meisten Fallstricke relativ einfach umgehen. Und wenn du dir unsicher bist? Dann hol dir professionelle Hilfe – denn bei der Umsatzsteuer gilt wie überall - Vorbeugen ist besser als Heilen.
Umsatzsteuerliche Besonderheiten bei Kooperationen
Kooperationen unter Ärztinnen und Ärzten können vielfältige Formen annehmen. Und während sie oft Vorteile in der Patientenversorgung und in der Wirtschaftlichkeit mit sich bringen, gibt es im umsatzsteuerlichen Bereich einige Besonderheiten, die du kennen solltest.
Praxisgemeinschaft
In einer Praxisgemeinschaft behält jede Ärztin und jeder Arzt seine eigene wirtschaftliche und rechtliche Selbstständigkeit. Ihr teilt euch lediglich die Praxisräume und eventuell das Personal. Umsatzsteuerlich betrachtet bedeutet das: Jeder rechnet seine eigenen Leistungen selbst ab. Umsatzsteuerbefreite medizinische Leistungen bleiben weiterhin befreit. Kosten für gemeinsam genutzte Ressourcen (Miete, Personal etc.) werden oft nach einem festen Schlüssel aufgeteilt.
Berufsausübungsgemeinschaft (Gemeinschaftspraxis)
Hier gehen mehrere Ärztinnen und Ärzte eine engere Bindung ein und werden zu gemeinsamen Gesellschaftern der Praxis. Es gibt nur eine gemeinsame Abrechnung. Das Einkommen wird nach einem vorher vereinbarten Schlüssel aufgeteilt. Achtung: Hier können umsatzsteuerliche Fragen entstehen, wenn beispielsweise nur ein Teil der Ärzte umsatzsteuerpflichtige Leistungen anbietet. Im Zweifelsfall konsultierst du am besten deine Steuerberatung.
Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ)
Das MVZ ist eine Einrichtung, in der verschiedene Fachärztinnen und Fachärzte zusammenarbeiten. Umsatzsteuerlich wird es ähnlich wie eine Gemeinschaftspraxis behandelt. Aber: Wenn das MVZ Leistungen von Dritten (z.B. andere Ärzte oder medizinische Dienstleister) in Anspruch nimmt, können hier umsatzsteuerliche Pflichten entstehen.
Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen
Wenn du mit Physiotherapeuten, Heilpraktikern oder anderen Heilberuflern zusammenarbeitest, kann dies ebenfalls umsatzsteuerliche Konsequenzen haben. Es kommt auf die genaue Gestaltung der Zusammenarbeit an – ob als Praxisgemeinschaft, Gemeinschaftspraxis oder in einer anderen Form.
Was du unbedingt beachten solltest
Kooperationen sind eine tolle Sache – sie können dir den Arbeitsalltag erleichtern und für Patienten viele Vorteile bringen. Aber umsatzsteuerlich lauern einige Tücken. Wenn du eine Kooperation eingehst oder bereits in einer bist, lohnt sich ein Anruf bei bei deiner Steuerberatungskanzlei. Diese kann dir genau aufzeigen, wo du steuerlich stehst und welche Modelle für dich am vorteilhaftesten sind. So könnt ihr entspannt zusammenarbeiten, ohne euch Sorgen um das Finanzamt machen zu müssen!
Fazit
Herzlichen Glückwunsch! Wenn du bis hierher durchgehalten hast, solltest du nun ein klareres Bild davon haben, wie du als Ärztin oder Arzt mit der Umsatzsteuer umgehen solltest.
Wichtig zu merken ist:
Nicht alle medizinischen Leistungen sind automatisch umsatzsteuerbefreit. Kennst du deine Leistungen, weißt du auch, welche steuerlichen Pflichten sie mit sich bringen.
Bei Kooperationen und gemeinschaftlichen Praxisformen wird es oft kompliziert. Hier ist es ratsam, von Anfang an auf klare vertragliche Regelungen und gegebenenfalls steuerliche Beratung zu setzen.
Der Vorsteuerabzug kann ein Segen sein, wenn du in deiner Praxis investierst. Aber vergiss nicht, die Voraussetzungen im Blick zu behalten.
Die Umsatzsteuervoranmeldung ist ein wiederkehrendes Ritual. Nimm dir die Zeit und sorge für Genauigkeit, um spätere Korrekturen oder gar Ärger mit dem Finanzamt zu vermeiden.
Abschließend, trotz der ganzen Komplexität, denke daran: Mit dem richtigen Wissen und der nötigen Sorgfalt lässt sich das Thema Umsatzsteuer gut managen. Und wenn du dir unsicher bist – zögere nicht, steuerlichen Rat einzuholen. So kannst du dich weiterhin auf das konzentrieren, was du am besten kannst: Deinen Patienten helfen.
Mehr zum Thema Steuern findest du auch in unserem entsprechenden Ratgeber.
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